An diesem Wochenende wird Ferrari auf der anspruchsvollen Rennstrecke des Großen Preises von Aserbaidschan antreten. Einer der größten Siege von Ferrari in jüngster Zeit war 2019 auf den Straßen von Singapur. Dieser zeigte auch das Potenzial eines neuen jungen Ferrari-Fahrers, Charles Leclerc
Der Baku Circuit, der sich durch mittelalterliche Straßen schlängelt und auf dem in dieser Woche der Große Preis von Aserbaidschan stattfindet, ist einer der besten Stadtkurse der Welt. Er ist mit etwas mehr als sechs Kilometern der längste und außerdem der schnellste Stadtkurs, und beinhaltet mit 2,2 km die längste Gerade der Formel 1. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei etwa 360 km/h, oder 225 mph. Die Kulisse, vor allem der schmale Abschnitt an der Altstadtmauer, ist eine der landschaftlich reizvollsten in der Formel 1. Nur Monaco, der berühmteste aller Stadtkurse, bietet eine noch spektakulärere Kulisse.
Die Scuderia Ferrari dominierte die 12. Ausgabe des GP von Singapur, wobei Sebastian Vettel und Charles Leclerc die Plätze eins und zwei belegten
Stadtkurse sind etwas Besonderes. Sie sind besonders herausfordernd für die Rennfahrer, da die Leitplanken in der Regel dicht an der Fahrspur liegen. Die Fehlertoleranz ist praktisch gleich Null.
Einige der größten Siege von Ferrari in der Formel 1 wurden auf Stadtkursen errungen, von Niki Laudas Triumph 1975 in Monaco über Gilles Villeneuves Heimsieg 1978 in Montreal bis hin zu Michael Schumachers erstem Platz beim Großen Preis von Australien 2004 in Melbourne.
Der 1:2-Sieg von Ferrari beim Großen Preis von Singapur 2019 ist einer der größten Erfolge der Scuderia auf einem Stadtkurs, nicht zuletzt, weil er so unerwartet kam.
Singapur ist außerdem eine der besten Straßenrennstrecken. Sie schlängelt sich um den Hafen und war der erste Große Preis, der bei Nacht stattfand, was für ein noch größeres Spektakel sorgte. Der erfolgreichste Rennfahrer auf dem Marina Bay Circuit ist Sebastian Vettel mit fünf Siegen, einschließlich seiner Debütsaison für Ferrari im Jahr 2015.
Doch als sich der F1-Zirkus Mitte September 2019 nach Singapur aufmachte, rechneten sich nur wenige Experten Chancen für Ferrari aus. Tatsächlich hatte der Newcomer Leclerc, der damals erst 21 Jahre alt war, eine Glückssträhne: Anfang des Monats hatte er in Spa seinen ersten F1-Sieg errungen und eine Woche später in Monza erneut gewonnen.
Der Doppelsieg war der 84. der Scuderia in der Formel 1
Doch Singapur ist eine ganz andere Rennstrecke. Der Ferrari SF90 war ideal für schnelle Rennstrecken wie Spa und Monza geeignet, wo Leistung und Geschwindigkeit auf der Geraden von entscheidender Bedeutung waren. Singapur ist, wie die meisten modernen Stadtkurse, enger, langsamer und holpriger. Der Spitzenreiter der Meisterschaft, Lewis Hamilton, der für Mercedes antrat, war ebenfalls der unangefochtene Favorit für das Rennen, und auch Max Verstappen hatte gute Chancen auf einer Rennstrecke, die für seinen Red Bull perfekt geeignet war. Und während Leclerc in guter Form war, schnitt sein Teamkollege Vettel unterdurchschnittlich ab: Er hatte das ganze Jahr über keinen einzigen Sieg errungen und wurde von seinem neuen Teamkollegen ständig übertroffen.
Also räumten nicht nur wenige Experten Ferrari große Chancen ein, noch weniger sahen Vettel als Favorit.
Ferrari kam in Singapur mit einem überarbeiteten SF90 an, der umfangreiche aerodynamische Upgrades aufwies. Ein Auto, das nicht gerade für seinen Grip oder seine Balance auf langsamen Rennstrecken bekannt war, wies plötzlich genau diese Eigenschaften auf. Das Qualifying bewies die Wirksamkeit der Designänderungen. Leclercs Ferrari war in der Marina Bay schneller als alle anderen und einen Bruchteil schneller als der designierte Champion Hamilton. Aber zur Überraschung aller wurde der bisher hinter den Erwartungen zurückbleibende Vettel Dritter und ließ den favorisierten Verstappen hinter sich.
Die geniale Boxenstopp-Strategie war ein Schlüsselmoment bei der Entscheidung über die Gewinner des GP von Singapur 2019
Das Rennen wurde in den Boxen gewonnen, wie es beim Großen Preis manchmal der Fall ist. Bei Flutlicht, welches hell unter einem tiefschwarzen Himmel erstrahlte, setzte sich Leclerc von der Pole Position aus in Führung, die er trotz zunehmenden Reifenverschleißes mühelos hielt. Teamkollege Vettel legte vom dritten Platz aus früh einen Boxenstopp ein. Das war eine taktische Meisterleistung.
Während Leclerc und der zweitplatzierte Hamilton mit abgenutztem Gummi zu kämpfen hatten, war Vettel voll in Fahrt. Bis alle Spitzenreiter ihre Boxen wieder verlassen hatten, lag Vettel bereits deutlich vor Leclerc in Führung. Wie schon beim Großen Preis von Monaco zwei Wochen zuvor verhalf ein cleverer Undercut zum Sieg, und wieder einmal hatte der arme Leclerc das Nachsehen.
Im Gegensatz zum vergangenen Großen Preis von Monaco gab es diesmal einen Ferrari-Doppelsieg, bei dem Vettel einen angreifenden Leclerc in Schach halten konnte. Das war Vettels letzter Formel 1-Sieg für Ferrari. Für Leclerc hatte das Abenteuer gerade erst begonnen.