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Die e-Zukunft beginnt hier

Im neuen e-Building von Maranello werden die Sportwagen von morgen produziert. Die Eröffnung im Juni 2024 im Beisein des Präsidenten der Italienischen Republik stellt einen wichtigen Moment in der Geschichte des Unternehmens, im Namen der Evolution, der Umwelt und der Energie dar
Text: Jason Barlow / Fotos: Luca Girardini

Das neue e-Building von Ferrari steht am Tag unseres Besuchs kurz vor der Fertigstellung. Seine neuen Räumlichkeiten sind blitzblank geputzt und größtenteils leer. Bald wird hier alles voller Leben sein, wenn Hunderte von Mitarbeitern ihrer Arbeit nachgehen, deren wichtigste Aufgabe die Herstellung des mit Spannung erwarteten vollelektrischen Ferraris sein wird.  

Das Gebäude befindet sich derzeit in der ‚Anlaufphase‘, jener etwas merkwürdigen Übergangszeit, die große neue Einrichtungen durchlaufen müssen, bevor sie ihre Bestimmung erfüllen dürfen. Komplexe Systeme, die seit Jahren in Planung sind, werden ‚debuggt‘, Code-Zeilen, welche die Infrastruktur unterstützen, werden ausgebügelt, die glänzenden anthropomorphen Roboter werden darauf vorbereitet, neue Funktionen auszuführen. 


Oben: Die hochmodernen Produktionslinien des neuen E-Gebäudes sind bereit, in Betrieb zu gehen

Was man jedoch deutlich spürt, ist das enorme Potenzial, denn dieses neue Gebäude ist sicherlich einer der größten Meilensteine in der 77-jährigen Geschichte von Ferrari – und zwar aus Gründen, die weit über die bevorstehende Ankunft eines vollelektrischen Modells aus Maranello hinausgehen. 

„Es ist aus verschiedenen Gründen als e-Building bekannt geworden“, erklärt Ferrari-Chef Benedetto Vigna, „auch wenn der Schlüsselbuchstabe ‚F‘ ist, was für ‚Flexibilität‘ steht. Beim e-Building geht es nicht nur um ‚elektrisch‘. Hier können wir alle Teile des Puzzles zusammenfügen, sodass der gesamte Forschungs-, Entwicklungs- und Herstellungsprozess optimal verläuft.“ 


Mit der Planung des Gebäudes wurde das Architekturbüro Mario Cucinella aus Bologna beauftragt

Und er fährt fort: „Wir verfolgen eine Multi-Energie-Strategie und wissen, wo Ferrari in die Landschaft passt. Ferrari ist schneller als ein traditioneller Automobilhersteller, aber langsamer als ein Technologieunternehmen. Ferrari ist gewissermaßen eine einzigartige Kombination aus beidem. Hightech spricht die rationale Seite, Luxus hingegen die emotionale Seite des Gehirns an und bezieht Tradition und Storytelling mit ein. Wir sind mit beiden Dimensionen in Kontakt.“ 

Kein gewöhnlicher Automobilhersteller also, und keine gewöhnliche Fabrik. Bezeichnen Sie das neue Gebäude nur nicht als Jahr Null. Ferrari stellt seit 1947 Autos her, und obwohl das Unternehmen äußerst stolz auf das hohe Maß an Handwerkskunst ist, das in jedes Auto aus Maranello einfließt, ist es seit langem auch ein glühender Technologiepionier. Das neue e-Building ist also die Krönung eines über die Jahrzehnte erworbenen Know-hows, während gleichzeitig neue Techniken eingeführt und die Grundlagen für die kommende Ära geschaffen werden. Was den Namen angeht ... anscheinend gibt es einen Grund dafür. 

„Es gibt drei ‚E‘, erklärt Davide Abate, Ferrari Chief Technologies and Infrastructures Officer. „Das erste steht für ‚Evolution‘ – Entwicklung – in Bezug auf den Antriebsstrang und die Einführung der vollständigen Elektrifizierung bei Ferrari. Das zweite bezieht sich auf ‚Enviroment‘ – Umwelt. Wir haben unsere Fläche durch die Wiederverwertung alter Industrieflächen vergrößert, und rund 50.000 Quadratmeter wurden komplett neu erschlossen. Schließlich ist da noch ‚Energy‘ – Umwelt. Aber bei der Nachhaltigkeit geht es nicht nur um den Einsatz von Energie, sondern vor allem um unsere Mitarbeiter und darum, wie wir sie am Arbeitsplatz behandeln.“


Oben: Ein riesiges Fenster im Obergeschoss blickt auf die Terrasse, auf der sich ein Garten befindet. Im Hintergrund rechts ein Teil der Produktionslinie. Das Gebäude wird auch Bildungsaktivitäten und Erholungsräume beherbergen

 Das neue Werk hat also eine Reihe von Funktionen. Nächstes Jahr wird der erste Elektro-Ferrari auf den Markt kommen, dessen Konzept und Form vorerst noch sorgfältig unter Verschluss gehalten werden. Wir wissen jedoch, dass die Hochvoltbatterien, Elektromotoren und Achsen sowie das Fahrzeug selbst im neuen Gebäude hergestellt werden. Wie Vigna betont, ist dies jedoch nur ein Teil eines Mix, der auch andere Ferrari-Modelle und -Aktivitäten umfassen wird. Seit 2009 hat das Unternehmen sein Know-how im Bereich der Elektrik weiterentwickelt, und der Hybrid-V6 im 296 GTB passt gut zum spektakulären Verbrennungsmotor, der das Herzstück des neuen Modells 12Cilindri und des Purosangue ist. Ihre Kombination ermöglicht verstärkte Synergien. 

Außerdem gibt es Platz für ein Schulungszentrum und ausgewiesene Erholungsbereiche für die Mitarbeiter. Interessanterweise bleiben 30 % der Fläche für eine zukünftige Entwicklung frei. Ernesto Lasalandra, Ferrari Chief Research & Development Officer, erklärt: „Für die Batterie und den Motor können wir parallel mit Davides Team arbeiten, um Design und Produktion zu optimieren. Wir befinden uns an der Grenze dessen, was geht und was nicht geht. Wir haben die Batterie in der ersten Phase entworfen, aber wir haben jede Woche ein Treffen, um herauszufinden, was wir sonst noch in dem Gebäude machen können.“

Das Projekt wurde zum ersten Mal im Jahr 2019 ins Auge gefasst, die grundlegenden Parameter wurden vor der Unterzeichnung im November 2021 vereinbart. Mit der Planung des Gebäudes wurde das Architekturbüro Mario Cucinella aus Bologna beauftragt, das aufgrund seines Engagements für Nachhaltigkeit ausgewählt wurde. Das e-Building legt daher großen Wert auf Energieeffizienz und ist so konzipiert, dass es nahezu ein Nullenergiegebäude (NZEB) ist. Das Regenwasser wird aufgefangen und wiederverwendet und dient unter anderem zur Bewässerung der zahlreichen Grünflächen des Gebäudes. Die Isolierung und die thermischen Eigenschaften des Gebäudes wurden sorgfältig abgestimmt, um im Sommer die Sonneneinstrahlung zu absorbieren und gleichzeitig so viel Tageslicht wie möglich durch speziell entworfene Lichtschächte in das Gebäude zu lassen. Opalglas- und transparente Paneele umhüllen das Äußere des Gebäudes, und ein auffälliger ‚Laternen‘-Effekt der Opalglas-Fassade belebt das Gebäude bei Nacht.  

Keines seiner Energiesysteme ist auf fossile Brennstoffe angewiesen, und die Klimatisierung erfolgt über eine vollelektrische Wärmepumpe, die mit erneuerbaren Energien betrieben wird. Auf dem Dach wurden mehr als 3.000 Photovoltaikmodule mit einer Spitzenleistung von 1,3 MW installiert. Es handelt sich eher um ein Ökosystem als um eine typische Produktionsstätte, die in Bezug auf Ästhetik und Ausstattung alle Erwartungen übertrifft.  

Oben: Wenn das neue E-Gebäude – auf dessen Dach sich über 3.000 Photovoltaikmodule befinden – vollständig in Betrieb ist, wird es in der Lage sein, eine Spitzenleistung von etwa 1,3 MW zu erzeugen

„Es wäre billiger gewesen, einen großen Kasten zu bauen“, sagt Benedetto Vigna, der in seiner langen Laufbahn mehr anonyme Tech-Gebäude besucht hat, als ihm lieb ist. „Aber das war eine Gelegenheit, etwas für unsere Besucher und Mitarbeiter zu bauen. Ein harmonisches Zusammenspiel aus Schönheit und Funktionalität: Es ist dieselbe Herausforderung wie bei unseren Autos. Produktionsanlagen bieten normalerweise nicht die Flexibilität, die wir hier haben.“  

Langjährige Besucher des Ferrari-Headquarters werden sich fragen, woher der Platz für den Bau eines neuen Gebäudes mit einer Gesamtfläche von 42.500 Quadratmetern auf vier Etagen stammt. Ferrari bringt die Stadt Maranello in der Region Emilia-Romagna nicht nur auf die Weltbühne, sondern verbessert sie auch aktiv. Das Unternehmen hat 39 Gebäude gekauft und hässliches Industriegelände wiederverwertet, um diese jüngste Expansion zu ermöglichen. Das Straßennetz rund um das Gelände wurde verbessert, es werden rund 1.400 neue Parkplätze geschaffen, außerdem wurden 1,5 Kilometer Radwege angelegt. Insgesamt wurden 110.000 Quadratmeter neu gestaltet und damit einem Gebiet neues Leben eingehaucht, das zuvor etwas vernachlässigt wurde.  

Drinnen bewegt sich einer der Roboter anmutig hin und her. Sie werden bald eingesetzt, um Produktionsengpässe zu überwinden und bei Bedarf eine schnelle Umrüstung zu ermöglichen. Die Arbeitsplätze sind rekonfigurierbar, äußerst ergonomisch und verfügen über mehrfach verstellbare Armhaken. Überall springt die Flexibilität ins Auge, nicht nur für die Anforderungen des Unternehmens von heute, morgen oder im nächsten Jahr, sondern auch für die Anforderungen der nächsten zwei Jahrzehnte.  


Von links: Eine weitere Ansicht der Produktionslinie des E-Gebäudes; zahlreiche Fenster bringen viel Licht in die Anlage; Bürofenster geben den Blick auf die Fabrikhalle frei

Ein Großteil der Verantwortung dafür liegt bei Silvia Gabrielli, Ferrari Chief Digital & Data Officer. „Gemeinsam mit Davide versuchten wir zu verstehen, wie dieses leere Blatt Papier auch ein Labor dafür sein könnte, was digitale Technologien in einer flexiblen Fabrikumgebung leisten können, wo der Mensch im Mittelpunkt steht“, sagt sie. „Wir haben die neuesten Technologien, die diese Art von Industrieanlagen unterstützen, untersucht und die vielversprechendsten für die nächsten 20 Jahre ermittelt.  

Das neue Gebäude ist also mit Ultrabreitbandtechnologie (UWB) ausgestattet, die in die Infrastruktur des Gebäudes integriert werden muss. Am Anfang stehen das Netzwerk und die Verkabelung. Selbst die KI beginnt mit sehr physischen und grundlegenden Dingen. Wir haben also überall die notwendige Verkabelung vorgenommen und sind bereit, Ultrabreitband einzusetzen, wo und wann es sinnvoll ist.“ 

Warum UWB? Weil es eine starke Signaldurchdringung hat, hohe Sicherheit bietet und eine präzise Positionsbestimmung liefert. „Es gibt Anwendungsfälle, bei denen man herausfinden kann, wo eine sehr wertvolle Komponente liegt“, so Gabrielli weiter. „Es optimiert den Prozess, sowohl in Bezug auf die Effizienz als auch auf die Sicherheit. Die zunehmende Digitalisierung in einigen Bereichen hilft den Menschen, sich mehr auf ihre Arbeit zu konzentrieren.“ 


Oben: Das E-Gebäude ist so konzipiert, dass es die Leistung eines „Nearly Zero Energy Building“ (NZEB) erreicht. Keines der Energiesysteme ist auf fossile Brennstoffe angewiesen und Regenwasser wird gespeichert und wiederverwertet

Die Menschen werden für Ferrari immer oberste Priorität haben. Das gilt aber auch für das langfristige Wohlergehen eines Unternehmens, das sich mitten in einem einmaligen branchenweiten Umbruch befindet. „Unser Betriebsmodell ist eine Mischung aus strategischer Handwerkskunst und fortschrittlicher Technologie“, erklärt Andrea Antichi, Chief Manufacturing Officer von Ferrari. „Das Geheimnis besteht darin, dass unsere Ingenieure und Designer die Freiheit haben, von den bestmöglichen Kreationen zu träumen, und wir die Aufgabe haben, die Alchemie zu finden, die es uns ermöglicht, diese Träume in ‚lebende Maschinen‘ zu verwandeln. Das ist nur durch die Nischenkompetenzen unserer Mitarbeiter möglich.“  

Ferrari wird sein Ziel erreichen und florieren, aber für die großen Entscheidungen braucht es Menschen mit Visionen und Mut. Das neue e-Building ist nichts weniger als ein großartiges Manifest aus Stahl und Beton.  

„Jede Generation sollte den Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert ist, gewachsen sein“, fasst Benedetto Vigna zusammen. „Ich bin auf eine ganze Reihe von Dingen stolz. Wir haben den Zeitplan und die finanziellen Verpflichtungen gegenüber unseren Investoren und allen anderen eingehalten. Wir haben uns an den Plan gehalten, was auch unseren Lieferanten zu verdanken ist. Es war nicht einfach, das alles während der Covid-Unterbrechungen zu bewerkstelligen. Die zweite Botschaft ist, dass es sich um ein hochmodernes Gebäude handelt, mit dem wir einerseits den Kunden zufriedenstellen, andererseits aber auch die im Werk arbeitenden Menschen respektieren können. Und den Planeten. Wir tun, was wir sagen. Das e-Building ist eine Botschaft für die Gemeinschaft. Ein Aufruf zum Handeln, wenn Sie so wollen. Offene Ohren, offene Augen, vier Räder auf dem Boden.“


21 giugno, 2024