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31 OktMagazine, Races

Der große Showdown

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Der große Showdown

Im Vorfeld des diesjährigen Großen Preises von São Paulo erzählt der legendäre brasilianische Fahrer Emerson Fittipaldi die Geschichte seines epischen Duells und Siegs gegen Clay Regazzoni und dessen hochmodernen Ferrari 312 B3 bei der Formel-1-Weltmeisterschaft 1974

Text: Roberto Boccafogli

Zeitungen nannten ihn Mitte der 1970er Jahre „Enzo Ferraris Schreckgespenst“. Die Rede ist von Emerson Fittipaldi, der in seiner glanzvollen Rennfahrerkarriere zwei Formel-1-Weltmeistertitel und einen IndyCar-Titel (damals als CART-Meisterschaft bekannt) holte. Dabei siegte er auch zweimal beim Indianapolis 500, ein Rennen, das Ferrari 1952 selbst mit Alberto Ascari am Steuer des 375 Special zu gewinnen versucht hatte. Zum ersten Mal wurde Fittipaldi 1972 im Lotus von Colin Chapman Formel-1-Weltmeister. 1973 hatte er die Chance auf einen zweiten Titel in Folge – wurde jedoch von seinem britischen Teamchef ausgebremst. Dieser weigerte sich, beim Meisterschaftsfinale in Monza seinem Teamkollegen Ronnie Peterson eine Stallorder zu erteilen.




Oben: Ein lächelnder Emerson Fittipaldi aus Brasilien (links) und Clay Regazzoni aus der Schweiz scherzen mit einem Journalisten während der Qualifikation zum US Grand Prix 1974 in Watkins Glen




Fittipaldi verließ das Team praktisch über Nacht und für die Saison 1974 unterschrieb der brasilianische Rennfahrer bei McLaren – ein Team, das zu diesem Zeitpunkt erst acht Große Preise gewonnen hatte und das niemand als ernsthafte Konkurrenz ansah. In Maranello begann Ferrari unterdessen wieder die Chance auf einen Sieg zu wittern, zehn lange Jahre nach dem letzten Titelgewinn, als John Surtees 1964 am Steuer des 158 F1 triumphiert hatte. Ferrari war in einer starken Position, da das Team mit dem revolutionären Rennwagen 312 B3-74 an den Start ging. Das Ingenieursgenie Mauro Forghieri hatte dem Unternehmen neues Leben eingehaucht und dank der beiden Teamfahrer – Rückkehrer Clay Regazzoni und der österreichische Debütant Niki Lauda Lauda – konnte der Hersteller aus Maranello schon bald eine Pole Position nach der anderen erobern. Die ersten Siege ließen nicht lange auf sich warten: Erst durch den Österreicher (in Spanien und den Niederlanden), dann durch den Schweizer auf dem legendären Nürburgring, der so die Gesamtführung in der Formel-1-Meisterschaft übernahm. 




Oben links: Emerson Fittipaldi (links) unterhält sich freundlich mit seinen Ferrari-Teamkollegen Niki Lauda und Clay Regazzoni beim Großen Preis von Frankreich 1974 in Dijon-Prenois. Oben rechts: Clay Regazzoni führt den Großen Preis von Belgien 1974 an




Beim letzten Rennen 1974 in Watkins Glen befand sich Fittipaldis McLaren mit 52 Punkten gleichauf mit Regazzoni, wobei der Brasilianer in der Gesamtwertung vorne lag, da er mehr Rennen gewonnen hatte. „Drei Jahre zuvor hatte mich Enzo Ferrari persönlich kennenlernen wollen“, erinnert sich Fittipaldi. „Ich besuchte ihn in Maranello und Ferrari schlug mir vor, Lotus für ihn zu verlassen, allerdings um in der Sportwagen-Weltmeisterschaft zu fahren. Bei positiver Leistung hätte ich vielleicht auch an ein paar Großen Preisen teilnehmen können. Aber mich hat nur die Formel 1 interessiert, deshalb ist nichts daraus geworden.“




Oben von links: Regazzoni (Ferrari), Lauda (Ferrari) und Fittipaldi (McLaren) auf dem Podium beim Großen Preis von Holland 1974, den Lauda gewann




An jenem Oktoberwochenende in Watkins Glen hatte Ferrari einen schwierigen Start: Lauda befand sich auf dem fünften Platz, über drei Zehntelsekunden hinter der Pole Position von Carlos Reutemann am Steuer seines Brabham. Regazzoni war Neunter, mit über sechs Zehntelsekunden Rückstand. Dem 312 B3-74 war es die ganze Saison über gelungen, die richtige Balance zu halten, doch in Amerika gestaltete es sich als schwierig, das richtige Setup zu finden. Fittipaldi fährt mit seiner Erzählung fort: „Im Qualifying war ich nur Achter, knapp vor Regazzoni. Ich war unglaublich nervös. Der Druck war enorm. Doch je näher am Sonntag das Rennen rückte, desto klarer fühlte ich mich im Kopf.“ Als echter Wettkämpfer erinnert er sich auch heute noch detailliert an das Rennen. „Regazzoni hatte den besseren Start“, erzählt er, „und in der ersten Kurve hatte er mich bereits überholt.“ Doch schon beim nächsten Anstieg gelang es mir, in seinen Windschatten zu kommen. Die Gelegenheit zum Angriff ergab sich beim Verzögerungspunkt vor Kurve 2. Ich täuschte einen Angriff von links an, aber Regazzoni blockte mich sofort ab. Ich war gerade weit genug entfernt, um nach rechts auszuweichen und auf dieser Seite neben ihm zu fahren, was mir die perfekte Position für die nächste Kurve verschaffte. Regazzoni drückte mich mit zwei Rädern auf den Rasen, doch beim Abbremsen in Kurve 3 musste er eine etwas weitere Linie fahren, um eine Berührung zu vermeiden. Das verschaffte mir die paar Zentimeter, die ich brauchte, um das Manöver durchzuziehen. In den nächsten beiden Kurven baute ich meinen Vorsprung so weit aus, dass ich mir realistische Chancen auf einen erneuten Weltmeistertitel ausmalte – sollte es nicht zu technischen Problemen kommen.“ 




Oben links: Der zweifache Formel-1-Weltmeister Emerson Fittipaldi heute. Oben rechts: Mauro Forghieri, Giacomo Caliri und Giulio Borsari von Scuderia Ferrari untersuchen Regazzonis Auto beim Großen Preis von Spanien 1974




Und Fittipaldi hatte recht. Überschattet vom tragischen Unfall, bei dem der 25-jährige Österreicher Helmuth Koinigg ums Leben kam, endete das Rennen mit einem Doppelsieg für Brabham, mit Carlos Reutemann vor Carlos Pace. Der aufstrebende britische Star James Hunt wurde im Hesketh Dritter, was Fittipaldi den vierten Platz sicherte und ihn zum Weltmeister machte.

„Dieser Sonntag war einer der aufregendsten meines Lebens“, fährt Fittipaldi fort, der als erster Brasilianer zweifacher Formel-1-Weltmeister wurde. „Ich sehe noch immer die riesigen Menschenmengen vor mir, die mich bei meiner Rückkehr nach São Paulo begrüßten.“ 1976 wäre Fittipaldi beinahe für Ferrari gefahren. Enzo hatte ihn im August in höchster Krisenstimmung angerufen und ihm den 312 T2 von Lauda angeboten, der bei dem berüchtigten Unfall auf dem Nürburgring schwer verletzt worden war. Fittipaldi stand jedoch beim Formel-1-Team Copersucar unter Vertrag, das von seinem Bruder Wilson Júnior geleitet wurde. Die Annäherung verlief erneut ergebnislos.





Oben: Laudas Ferrari 312 B3 und Fittipaldis McLaren M23 führen die erste Startreihe beim Großen Preis von Kanada 1974 an




Sein Ferrari-Debüt gab Fittipaldi daher erst Ende 2014 – vierzig Jahre nach Enzos erstem Anlauf – und zwar auf seiner Heimstrecke in Interlagos, wo er für das Team AF Corse in der FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft am Steuer eines 458 Italia GTE antrat.

Leider verlief das Rennen aufgrund von technischen Problemen nicht gut. „Aber auch dieser Ferrari war ein außergewöhnliches Auto“, betont er. „Trotz sehr wenig Training konnte ich gehörig aufs Gas treten und bis ans Limit gehen. Und seitdem denke ich immer wieder darüber nach, wie es gewesen wäre, für Ferrari in der Formel 1 zu fahren. Das war seit meiner Kindheit mein Traum – aber ich habe ihn umgekehrt gelebt, in der Rolle des Gegners.“





Titelbild: Fittipaldis McLaren M23 führt Regazzoni im Ferrari 312 B3 und John Watsons Brabham BT44 beim Großen Preis der USA in Watkins Glen 1974 an

DIESE GESCHICHTE WURDE AUS AUSGABE 63 DES THE OFFICIAL FERRARI MAGAZINE ENTNOMMEN


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