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Leidenschaft

Der Mann, der die Geschwindigkeit bezwang

Anlässlich seines 80. Geburtstags lässt Andrea de Adamich seine erfolgreiche Formel-1-Karriere bei Ferrari Revue passieren und erklärt, wie die Gefahren des Rennsports in den 1960er und 1970er Jahren ihn dazu bewogen haben, das Centro Internazionale di Guida Sicura zu gründen
Text – Luca Giraldi

Auf italienisch nannte man sie „cavalieri del rischio“ - Ritter des Risikos: Die Fahrer der 1960er und 1970er Jahre, die, kaum dass sie ihren Helm aufgesetzt hatten, die Gefahren der ebenso gefürchteten wie spektakulären Rennstrecken zu verachten schienen, und das bei irrwitzigen Durchschnittsgeschwindigkeiten.

Sie lebten Kurve für Kurve, Gerade für Gerade. Zu ihnen gehörte auch Andrea de Adamich, ein junger Mann aus Triest, der ebenfalls kräftig auf die Tube drückte. Er wird am 3. Oktober 80 Jahre alt.

Mehr als 60 Jahre Leidenschaft für Autos, Rennsport und Sicherheit schlagen die Brücke vom „Ritter des Risikos“ zum Gründer des Centro Internazionale Guida Sicura (Internationales Zentrum für sicheres Fahren). 1967, im Alter von 26 Jahren, begegnete er Ferrari. Zwei italienische Fahrer, De Adamich und Ignazio Giunti, standen nach dem tragischen Tod von Bandini in Monte Carlo als Ersatzfahrer zur Debatte. 


‚Ich kam vom Jolly Club‘, beginnt de Adamich, ‚Giunti war hingegen in einer anderen Lage. In Vallelunga wurde ein einstündiges Rennen mit den Prototypen der 2000er Klasse organisiert. Ingenieur Chiti schickte zwei Alfa 33, die gerade ihr Debüt gegeben hatten. Ich war im Qualifying schneller und gewann das Rennen mit großem Vorsprung. Das blieb nicht unbemerkt: Enzo Ferrari ließ mich nach Maranello kommen. 


Die Gefahren, denen Andrea während des Rennens ausgesetzt war, führten ihn dazu, das International Safe Driving Center zu gründen

‚Wir vereinbarten einen Test im Aerautodromo di Modena. Ich stieg in das Cockpit von Chris Amons 312, allerdings ragte mein halber Oberkörper nach draußen, weil die Pedale nicht auf meine Körpergröße eingestellt werden konnten. Der Alfa Romeo TZ2 hatte 170 PS und war das stärkste Auto, das ich bis dahin gefahren hatte. Es ist unvorstellbar, wie groß der Leistungssprung zwischen diesem GT und einem Rennwagen war! Ich wurde durch die Luft gewirbelt, war unfähig, richtig zu schalten, und in der dritten Runde dachte ich mir: „Dieser Job ist nichts für mich.“ Aber ich fuhr wirklich schnell. 


‚Nach dem Test prüfte mich Ferrari in Monza auf Herz und Nieren. Dort fuhr ich das Auto, mit dem Amon üblicherweise am italienischen Grand Prix teilnahm. Diesmal war das Cockpit für mich angepasst worden und ich konnte eine um vier Zehntel schnellere Runde fahren als der Neuseeländer im Qualifying. Beim nächsten Test in Vallelunga gelang mir ein Streckenrekord und damit öffneten sich die Türen zu meinem ersten Formel-1-Rennen in Jarama, einem Rennen, das nicht zur Weltmeisterschaft zählte.‘  


Und der erste offizielle Grand Prix?

‚Folgte unmittelbar danach, in Südafrika. Ich fuhr für Ferrari und hatte Chris Amon und Jacky Ickx als Teamkollegen. Ich nahm es mit Kyalami auf, ohne die Strecke jemals gesehen zu haben, aber im Qualifying war ich immer noch 2 Zehntel schneller als Amon und um 1"3 schneller als Ickx, und das mit demselben Rennwagen. Es lief gut, aber dann konnte ich einer Ölspur hinter einem Auto nicht ausweichen. Ich hatte einen Dreher, prallte mit der Radaufhängung gegen die Leitplanken und musste aufgeben.‘ 



Fahrer in den 60er und 70er Jahren waren als Ritter des Risikos bekannt

Heute wie damals glauben die Fahrer, dass sie sich ans Steuer der sichersten Autos der Welt setzen. Wie war das damals?

‚Alle Fahrer waren überzeugt, dass sie beim Fahren keine Fehler machen würden. Die Sorge galt eher einem eventuellen technischen Versagen, auch weil die mechanischen Komponenten noch nicht so zuverlässig waren wie heute. Bei den Straßenautos war es nicht viel anders. Es gab keine Sicherheitsgurte, keine modernen Stoßfänger für den Fall eines Unfalls: Es war eine Welt, die wir heute nur schwer akzeptieren würden.‘


Sicherheit ist Ihnen so wichtig, dass Sie das Centro Internazionale Guida Sicura gegründet haben.

‚Diese Initiative wurde ins Leben gerufen, nachdem Fiat Alfa Romeo gekauft hatte. Damals lernte man in den Kursen, wie man Rennen fährt, aber nicht, wie man sicher fährt. So begann das Projekt zur Förderung des „sicheren Fahrens“, das in Varano sein perfektes Zuhause gefunden hat. Dort gab es die idealen Voraussetzungen, um sicherzustellen, dass sich die Fahrer in aller Sicherheit darauf konzentrieren konnten, das Fahrzeug zu lenken. Der sofortige Erfolg der Initiative übertraf unsere Erwartungen bei weitem.‘ 


Andrea de Adamich traf sich 1967 im Alter von 26 Jahren mit Ferrari und beeindruckte sofort mit seiner Geschwindigkeit

Wie kam die Zusammenarbeit mit Ferrari zustande?

‚Luca di Montezemolo, der damalige Vorstandsvorsitzende, sah den Erfolg der Kurse, die für Alfa Romeo veranstaltet wurden. Er lud mich zu einem Treffen ein und bat mich, ein Projekt aufzubauen. Der Kurs begann 1993 unter dem Namen Corso Pilota und war für Ferrari-Kunden gedacht. Er ist auch heute noch ein großer Erfolg, mit einem breit gefächerten und umfassenden Angebot. Fahrer, die an einem unserer Kurse teilnehmen, lernen, wie sie in plötzlich auftretenden Situationen, die wir künstlich nachstellen, richtig reagieren.


Ausweichmanöver, Verlust der Bodenhaftung und Kontrollverlust beim Bremsen zum Beispiel müssen ohne Panik bewältigt werden, während man gleichzeitig stets die Kontrolle über das Auto behält. All dies geschieht in einer Einrichtung, in der man in aller Sicherheit und Ruhe üben kann, betreut von Ausbildern, die ihre Erfahrung gerne in den Dienst der Teilnehmer stellen.‘