Agnellis einzigartiger Ferrari
Text: Jason Barlow
Wir haben mit dem Testarossa Spider eine Tour durch die englische Landschaft unternommen
Gianni Agnellis Status als ewige Stil-Ikone geht über seine Armbanduhren, saloppen Krawatten und Caraceni-Anzüge hinaus – die er oft über Wanderschuhen trug. Er war auch ein Automobil-Chef mit Benzin im Blut – nicht immer selbstverständlich – und einem Auge für unverwechselbare Unikate.
Als Vorsitzender von Fiat hatte er die Mittel, seiner Leidenschaft für die Kreation ungewöhnlicher Freizeit-Autos (z.B. zahlreiche Fiat Pandas, ein Fiat 130 Familiare estate, mit Weidenkorb auf dem Dach und Holztäfelung auf der Karosserie, und ein spektakulärer Multipla Spider) zu frönen.
Aber nicht alle von Agnellis Unikaten waren so zweckmäßig. Im Jahr 1986 gab er eine Spider-Version eines Ferrari Testarossa zur Feier seines 20-Jahr-Jubiläums als Präsident von Fiat in Auftrag. Laut den Aufzeichnungen in Ferraris Archiven startete das Projekt am 27. Februar 1986, Abschluss und Auslieferung erfolgten vier Monate später.
Obwohl er eindeutig nicht für die Serienproduktion gedacht war, wurde der Testarossa Spider von Ferrari präzise konstruiert. Eine beachtliche Leistung, wenn man die Herausforderungen der Anbringung eines Faltverdecks um einen 5,0-Liter-12-Zylinder-Mittelmotor bedenkt. Ein zusätzlicher Knopf wurde auf dem Armaturenbrett versteckt, um einen Bügel elektronisch anzuheben und zu senken und das Soft-Top in der richtigen Position zu halten.
Dieses bemerkenswerte Auto verfügt über eine weitere technische Neuheit in Form eines einzigartigen Valeo-Getriebes, das es seinem Besitzer erlaubte, das Auto entweder mit einem regulären Dreipedal-Fünfgang-Getriebe, oder - beim Drücken eines weiteren Knopfes - mit Automatikgetriebe zu fahren (das Kupplungspedal wurde eingeklappt - ein ähnliches System sollte beim F40, den Agnelli als nächstes orderte, auftauchen und war eine geniale Idee, um trotz einer alten Beinverletzung problemlos fahren zu können).
Wenn man den beträchtlichen technischen Aufwand für dieses Unikat bedenkt, scheint es fast kleinlich, die Lackierung des Spider Argento zu erwähnen. AG steht übrigens für das Element Silber im Periodensystem. Ebenfalls zum Ruf des Besitzers als Modeikone passen die perfekt abgestimmten Highlights des Exterieurs in Blau und die dazu passende blaue Innenausstattung. Dank seines Status hatten die italienischen Behörden auch nichts gegen sein Wunschkennzeichen: TO 00000G ist wirklich unvergesslich.
Er verkaufte den Testarossa Spider in der Folge an einen Freund der Familie, mit dem er regelmäßig Poker spielte. Dessen Kinder ließen den Wagen von Artcurial beim Retromobile Verkauf 2016 versteigern. Sein neuer Besitzer ist Ronald Stern, einer der angesehensten Anhänger der Marke sowie renommierter Archivar und Kenner des Lebens und der Zeit von Enzo Ferrari.
„Ich dachte, es wäre schön, ein Unikat, einen Wagen von einzigartiger Herkunft zu besitzen“, merkt er an. „Ich traf Leonardo Fioravanti in Maranello, während die Lackierung des Autos aufgefrischt und zertifiziert wurde. Es war ein Privileg, dass der Mann, der seine Schöpfung beaufsichtigte, die verschiedenen Schritte erklärte, die ursprünglich unternommen wurden, um das Chassis des Fahrzeugs zu entwickeln und zu verstärken.“
Als Krönung überreichte Piero Ferrari selbst die Classiche-Zertifizierungsdokumente an Stern in London bei einem Besuch. Nur wenige andere Personen im Ferrari-Firmament könnten besser qualifiziert sein, um einen so bedeutenden Teil der Firmen-Mythologie zu bewahren.