Während die Formel-1-Weltmeisterschaft seit jeher als der „Inbegriff“ des Automobilsports gilt, war lange Zeit die Sportwagen-WM für die Automobilhersteller das beste Mittel zur kommerziellen Vermarktung und technischen Entwicklung ihrer Fahrzeuge. Zweisitzer-Cabrios, die sowohl renntauglich waren als auch in straßentauglicher Ausführung verkauft werden konnten: Die Spider waren die Lieblinge der betuchten Jugend der damaligen Zeit, die ein Faible für Geschwindigkeit und Dolce Vita hegten; Persönlichkeiten aus dem Showbusiness, aus der Finanzbranche, Unternehmer…
In der Unternehmensbilanz schlug der Verkauf von Sportwagen und den daraus abgeleiteten Straßenversionen besser zu Buche als der Bau von Monoposto-Rennwagen. Um die Sportwagen zu klassifizieren, wurden im Laufe der Jahre die Begriffe „Barchette“ und „Prototipi“ eingeführt. In beiden Fällen hatte dies einen Hintergrund: zum einen aufgrund der Form dieser Fahrzeuge, zum anderen aufgrund der Tatsache, dass man bei Rennen Lösungen auszuprobieren pflegte, die dann auch bei den Straßenmodellen zum Einsatz kamen.
1953 sanktioniert der internationale Automobilverband FIA die Sportwagen-Weltmeisterschaft. Der Pokal wird direkt an die siegreiche Automarke verliehen: Dies bedeutet für die Hersteller eine größere Anerkennung als bei den Weltmeisterschaften der Formel 1, die nur die Fahrer auszeichnet (der Konstrukteurstitel sollte erst ab 1958 eingeführt werden). Deshalb treten alle offiziellen Piloten in beiden Kategorien an, oft an der Seite von wohlhabenden Herrenfahrern, die die Fahrzeuge kaufen, oder gemeinsam mit aufstrebenden jungen Herren, die den erfahrensten Champions „ins Handwerk pfuschen“ und sich profilieren möchten.
Die Kategorie Sport bringt die Rennen unter die Leute und findet auf öffentlichen Straßen (z. B. die berühmten Rennen Mille Miglia, Targa Florio, Carrera Panamericana) oder teilweise für den Verkehr geöffneten Strecken (wie Le Mans, die berühmteste Langstrecken-Rennstrecke der Welt) statt. Die Saison 1953 beginnt in den USA mit dem 12-Stunden-Rennen von Sebring, bei dem die europäischen Hersteller in der Wertung mit Abwesenheit glänzen, da für das Endresultat nur die besten vier Ergebnisse zählen; der private 166 MM von Ed Lunken und Charles Hassan landet zumindest auf dem sechsten Platz.
Als nächstes steht die Mille Miglia auf dem Programm, und die Scuderia Ferrari möchte die Meisterschaft bestmöglich beginnen. Es werden vier 340 MM angemeldet: zwei mit Vignale-Karosserie für den Conte Giannino Marzotto und den Waliser mit amerikanischer Lizenz Tom Cole, und zwei in Touring-Ausführung für Luigi Villoresi und Nino Farina. Es triumphiert Marzotto, natürlich mit Hemd und Krawatte, der mit über 142 km/h einen neuen Durchschnittsgeschwindigkeits-Rekord aufstellt und den Erfolg aus dem Jahr 1950 mit dem Ferrari 195 S Coupé wiederholt. Stets an seiner Seite: sein Freund Marco Crosara in der Rolle des Beifahrers. Das Auto von Marzotto ist das gleiche, mit dem Villoresi einen Monat zuvor beim Giro di Sicilia erfolgreich war.
Ein Rennwagen mit mehr als 300 PS Leistung und sehr anspruchsvoll zu fahren. Marzotto gewinnt vor Juan Manuel Fangio, Felice Bonetto und Cole. Beim dritten Rennen der Saison ist Maranello das Glück nicht hold. Bei den 24 Stunden von Le Mans tritt die Scuderia mit drei 375 MM Berlinetta Competizione Pinin Farina an, zwei von ihnen mit dem Motor des 340 MM, während jener von Alberto Ascari und Villoresi auf den neuen 4,5-Liter-Motor des 375 F1 mit 340 PS zählt.
Die Brüder Giannino und Paolo Marzotto kommen als Fünfte ins Ziel. Nino Farina und Mike Hawthorn werden wegen einer vom Reglement nicht erlaubten Nachfüllung der Bremsflüssigkeit disqualifiziert. Tom Cole hingegen, der gemeinsam mit Luigi Chinetti den 340 MM Vignale Spider fährt, findet während des Rennens den Tod. Ab den darauffolgenden 24 Stunden von Spa verfügen alle drei 375 MM über den 4.500 ccm-Motor. Es siegen Farina/Hawthorn, während beim ebenso anspruchsvollen und repräsentativen 1000-km-Rennen auf dem Nürburgring der erste Platz an Ascari/Farina, diesmal an Bord eines Spider anstatt eines Berlinetta, geht.
Das Haus Maranello nimmt nicht an der Tourist Trophy teil, meldet aber über die Scuderia Guastalla von Luigi Chinetti und Franco Cornacchia fünf Autos bei der Carrera Panamericana an. Der vierte Platz von Guido Mancini und Fabrizio Serena garantiert die letzten Punkte, die den WM-Titel besiegeln. Ein neues Kapitel für den Mythos Ferrari beginnt.