Der Rennanzug ist immer noch größer als ihn ein Rennfahrer normalerweise tragen würde. Der Helm hingegen ist derselbe, mit demselben Design wie bereits zu Beginn von Jacques Villeneuves Karriere. Denn wie dieser bereits in der Zeit, als er sich zum Formel-1-Weltmeister krönte, zu sagen pflegte, „repräsentiert der Helm den Geist des Piloten, der ihn trägt, und sollte deshalb die ganze Karriere lang derselbe bleiben“. Die Haare sind platinblond, wie in den Jahren 1997-1998, als er damit im Fahrerlager des großen Formel-1-Zirkus für Aufsehen sorgte: ein Look, mit dem er mehr wie ein Rockstar als wie ein Rennfahrer-Ass aussieht. Doch im Grunde ist Jacques Villeneuve wirklich ein Rockstar.
Nicht nur wegen seines Muts, gegen den Strom zu schwimmen, sondern auch wegen seiner Karriere als Musiker, die ihm in Kanada einen nicht zu verachtenden Erfolg beschert hat ‒ auch dank Songs wie dem seinem Vater, Gilles Villeneuve, gewidmeten „Father“. Der Mann, der Millionen von Fans auf der ganzen Welt begeistert und der eine weiße Nummer auf roter Flanke legendär gemacht hat: die 27.
Mit dieser Nummer, auf einem Auto in auffälligem Rot und mit einem Cavallino Rampante-Aufdruck auf der Motorhaube, tritt Jacques Villeneuve bei der Italienischen GT-Meisterschaft an. Villeneuve, Ferrari und die Nummer 27 sind für die Fans des Cavallino Rampante untrennbar miteinander verbunden. Auch wenn Jacques nie in der Königsklasse des Automobilsports für die Scuderia zu Rennen angetreten ist, wird er von den Ferrari-Fans glühend verehrt.
Bei jeder Gelegenheit bitten sie ihn um ein Foto oder ein schnelles Autogramm, erzählen ihm Anekdoten zu seinem Vater und geben ihm zu verstehen, dass er in jeder Hinsicht „einer von ihnen“ ist. 1979 in Monza zum Beispiel geleitete Gilles Jody Scheckter bis zur Zielflagge und sicherte so einen Doppelsieg für Ferrari, mit dem Südafrikaner als Weltmeister. Ein Bild, das in den Herzen der Fans der „Roten“ noch immer fest verankert ist.
Sie kehren mit einem Ferrari mit der Nummer 27 auf die Rennbahn zurück ‒ nach einem einzigen Mal in Le Mans im Jahr 2013, als Sie im Team Sport Garage zusammen mit Eric Cayrolle zwei Rennen bei der Französischen GT-Meisterschaft am Steuer des 458 Italia GT3 bestritten haben. Welche Gefühle löst das in Ihnen aus?
„Ich freue mich, wieder am Steuer eines Ferraris zu sitzen, auch weil ich letztes Mal nicht so viel fahren konnte, wie ich gewollt hatte! Am Steuer des 488 GT3 zu sitzen bedeutet im Vergleich zum 458 Italia GT3 einen Sprung in die Zukunft. Der 488 ist sehr schnell, es macht Spaß, ihn zu fahren, und er hat ein bemerkenswertes Handling. In Monza zu fahren, ist für mich etwas Besonderes, denn auf dieser Rennstrecke habe ich - abgesehen von der Formel 1 - seit meinen Tagen bei der Formel 3 an Rennen teilgenommen, und mir gefallen ihre langen geraden Strecken und ihre harten Bremszonen. Ich finde es toll, genau hier wieder in ein Rennen zu starten.“
Sie hatten die Möglichkeit, den 488 GT3 auf der Rennstrecke von Vallelunga zu testen. Wie sind Sie an die Testfahrten herangegangen und was haben Sie davon mitgenommen?
„Die erste Testfahrt war wichtig, um einige Anhaltspunkte zu gewinnen und vor allem auch, um ein Gefühl für die Geschwindigkeit und die Bremsvorgänge zu bekommen. Denn es ist schon eine Weile her, dass ich das letzte Mal ein Rennen gefahren bin. Der Tag war auch in anderen Punkten sehr nützlich: Zum Beispiel wurde der Fahrersitz eingestellt und ich konnte mich mit den vielen Tasten am Lenkrad und mit den Bedienelementen zur Fahrzeugeinstellung vertraut machen. Heute gibt es so viel Elektronik und eine äußerst fortschrittliche Technologie, dass man ohne angemessene Vorbereitung Gefahr läuft, sie auf der Suche nach der besten Leistung nicht in vollem Umfang zu nutzen.“
Was hat Sie am 488 GT3 am meisten beeindruckt?
„Die Geschwindigkeit, die dieses Auto oder im Allgemeinen die heutigen GT3 erreichen können; wir dürfen nicht vergessen, dass wir Autos fahren, die in enger Verbindung zu den Serienwagen stehen.“
Sie nehmen mit dem Team Baldini an der Meisterschaft teil, einem Erfolgsteam, das bei mehreren wichtigen GT-Meisterschaften startet. Was hat Sie davon überzeugt, bei diesem Projekt mitzumachen und was war Ihr erster Eindruck vom Team?
„Die professionelle Haltung, die das Team vom ersten Kontakt an gezeigt hat. Mir wurde nicht ein einmaliges Rennen, sondern ein wichtiges Projekt vorgeschlagen, das eine Vorbereitung und Einsatz am Rennwochenende verlangt. Das ist etwas, das mir gefehlt hat. Die Vorstellung, an einer kompletten Meisterschaft teilzunehmen - auch wenn ich jetzt schon weiß, dass ich mich nicht für das Finale qualifizieren können werde - katapultiert mich in die Zeit zurück, in der ich im Rennsport aktiv war. Die Ernsthaftigkeit des Projekts zeigt sich auch in der Teilnahme von Giancarlo Fisichella, der bereits mit diesem Rennstall Rennen gefahren ist.“
Wie haben Sie sich körperlich auf diesen Typ von Rennen vorbereitet, die sich von der Formel 1 ja stark unterscheiden?
„Generell versuche ich, immer in Form zu bleiben. Auch weil man bei einem Anruf - wie bei dem, als man mich fragte, gemeinsam mit der Scuderia Baldini anzutreten - stets bereit sein muss. Manche Muskeln verlangen einen höheren Trainingsaufwand, wie zum Beispiel die Halsmuskeln. Allerdings kommt man recht schnell wieder in Form, wenn man in der Vergangenheit einen speziellen Trainingsplan verfolgt hat. Es ist klar, dass ich mit meiner Arbeit als TV-Kommentator für die Formel 1 wenig Zeit für eine punktuelle Vorbereitung habe, aber ich bin mit meiner Verfassung zufrieden.“
Sie fahren im Team mit Stefano Gai und Giancarlo Fisichella. Vor allem der Römer war einer Ihrer Rivalen bei der Formel 1. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Wettkämpfe?
„Wir sind viele Jahre lang zusammen bei der Formel 1 gefahren und generell sind wir immer gut miteinander ausgekommen. Einmal hatten wir bei einem Qualifying (Großer Preis von Europa 2006, Anm. d. Red.) ein Wortgefecht, doch das sind Dinge, die recht häufig passieren. Nur dass wir in diesem Fall von Kameras gefilmt wurden. Die Angelegenheit wurde schnell geklärt, so wie es auch sein sollte. Giancarlo hat sich schon immer durch ein ruhiges Gemüt ausgezeichnet ‒ aber als Rennpilot war er stets blitzschnell.“
Im Gegensatz zur Formel 1 ist ein Teamkollege hier kein Rivale, sondern die erste Person, mit der man gemeinsam Entscheidungen treffen muss. Ist es einfach, bei den Entscheidungen über die Vorgehensweise einen gemeinsamen Nenner zu finden?
„Definitiv, auch weil Giancarlo dieses Auto gut kennt. Es ist unerlässlich für mich, viel mit ihm zu sprechen, zu verstehen und zu lernen, und, was das Setup betrifft, der von ihm vorgeschlagenen Richtung zu folgen. Die übrigens auch sehr gut zu meinem Fahrstil passt.“
Der einzige, der Ihnen unter Ihren zahlreichen Titeln fehlt, ist der beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Denken Sie darüber nach, es eines Tages wieder zu versuchen? Vielleicht am Steuer eines Ferraris?
„Auch viele Jahre später bedauere ich, bei einem Rennen, das wir hätten gewinnen können, nur den zweiten Platz gemacht zu haben (das Rennen von 2007, Anm. d. Red.). Man muss dazu sagen, dass es für einen Sieg bei Le Mans unerlässlich ist, für einen Fahrzeughersteller anzutreten. Falls es in dieser Richtung ein interessantes Projekt geben sollte, würde ich es in Betracht ziehen, zurückzukehren. In manchen Jahren ist die Konkurrenz sehr stark, in anderen weniger, doch das, was letztendlich zählt, ist, den eigenen Namen auf der Liste der Sieger zu lesen.“
Welche Kindheitserinnerungen haben Sie an Ferrari? Sind Sie jemals in Maranello gewesen oder haben Sie Enzo Ferrari getroffen?
„Es sind die Erinnerungen eines Kindes, also sind sie ein bisschen weit weg. Ich hatte die Gelegenheit, Enzo Ferrari anlässlich einer Testfahrt zu treffen, die mein Vater auf der Rennstrecke von Fiorano durchführte. Aber die Erinnerung ist sehr kurz, nur wenige Sekunden lang. Doch die innere Größe dieses Mannes hat einen prägenden Eindruck bei mir hinterlassen.“