Der 166 Inter, aus dem später der 195 S wurde, fährt für eine letzte Abnahme über den Hof der Ferrari-Werkstatt in Maranello, bevor er wieder dem Kunden übergeben wird: Am Steuer sitzt Enzo Ferrari. 71 Jahre später schießt Marc Gené - als Botschafter der Scuderia und Tutor für die Rennfahrer der Programme XX und F1 Clienti ein bekanntes Gesicht in Maranello - mit demselben Wagen die Straße entlang, die nach dem Firmengründer benannt ist. Zu beiden Seiten der Straße ist die Zeit vergangen und viele Dinge haben sich geändert: Es gibt deutlich mehr Technologie, die alten Werkstätten wurden durch hochmoderne Anlagen ersetzt und die Autos mit den rundlichen Formen der 1950er und 1960er Jahre haben erst den minimalistischen, scharf geschnittenen Formen der darauf folgenden Jahrzehnte Platz gemacht und sind nun bei der schlanken Silhouette von heute angelangt. Doch eines hat sich nie verändert: Heute wie damals ist der Sound des V12 unverwechselbar.
Es gibt auch einen Bereich im Unternehmen, in dem die Geschichte stehen geblieben zu sein scheint: Die Classiche-Werkstatt ist ein Ort, an dem die Geschichte, die Leidenschaft und die Forschung, die die Autos von Ferrari seit jeher auszeichnen, zum Greifen nah sind. „Die Officina ist ein magischer Ort“ sagt Marc. „Hier werden Träume restauriert.“ Das ist das Verdienst der wertvollen Präzisionsarbeit jener Mitarbeiter, die in dieser Spezialabteilung des Unternehmens monatelange Arbeit in die Wiederherstellung der Oldtimer aus Maranello stecken. Neben der Werkstatt befindet sich das Archiv, in dem alle technischen Zeichnungen und Originalentwürfe aufbewahrt werden, angefangen beim ersten 125 S, der einst durch das Tor der Via Abetone Inferiore fuhr. Diese Hefte und Handbücher enthalten die gesamte Dokumentation, die perfekte Restaurierungen ermöglicht, bei denen die DNA des Unternehmen aus Maranello bis ins kleinste Detail respektiert wird. „Natürlich wurde früher alles von Hand gemacht. Das Papier barg das Risiko, zu zerschleißen und verloren zu gehen, doch dank der Hochachtung vor der Tradition, die seit mittlerweile fast 75 Jahren weitergegeben wird, war es möglich, diese grundlegenden Zeichnungen zu konservieren“, erklärt Marc. „Obwohl heute alles digitalisiert ist, ist es unter den Mitarbeitern dieser Abteilung üblich, in den Originalzeichnungen nachzusehen. Die Pläne in Übergröße werden auf dem großen Tisch neben den Regalen ausgebreitet, um die Einzelheiten mit dem Vergrößerungsglas zu betrachten.“
Wenn Marc in der Classiche-Werkstatt vorbeischaut, um den 166/195 S Inter zu fahren, ist es, als würde er ein Theater betreten. Vor ihm stehen die Stars, die auf ihren Auftritt warten, Autos, die nach dieser Station in Maranello im Zentrum eines Concours d’Elegance oder einer historischen Neuauflage stehen werden. Sie sind einfach wunderschön: Da ist ein Dino 246 von 1970, ein 250 GT California von 1957, ein 250 GT Spyder „Pininfarina“ von 1959, ein 340 Messico von 1952, ein 275 P von 1964, ein 500 TRC von 1957 und ein 166 MM Touring von 1948. Im Mittelpunkt steht der Ferrari 166 Inter Sport: Ikone und unumstrittener Star der 1950er Jahre, ein vielseitiges Auto mit eleganter Linienführung und gleichzeitig starker Persönlichkeit. Der Name „Inter“, begleitet vom S wie „Sport“, verweist auf seinen Einsatz in den internationalen Wettbewerben. Sein besonderes Charaktermerkmal sind die Lichter und Kotflügel, die je nach den Erfordernissen der diversen Reglements montiert und abmontiert werden konnten.
Außerdem war das Auto in zwei Konfigurationen verfügbar: als Einsitzer und Zweisitzer. Dieses so konfigurierte Exemplar nahm an der Mille Miglia von 1950 teil. „Ich bin ein privilegierter Fahrer“, sagt Marc, „denn es passiert nicht alle Tage, dass man ein derartiges Auto fahren darf.“ Gené lässt den Motor an: Der Sound ist unverwechselbar. Der spanische Fahrer wandelt auf den Spuren von Vittorio Marzotto und Paolo Fontana, die in jenem Rennen Rang neun im Schlussklassement und den sechsten Platz in ihrer Klasse erreichten. Er fährt am Firmenrestaurant vorbei, am neuen Centro Stile und gelangt zum anderen Ende des Betriebsgeländes. Die Rückfahrt ist ebenfalls mit Emotionen aufgeladen, das Motorengeräusch ist pures Vergnügen: „Dieses Lenkrad zu umfassen, ist, als würde man eine Zeit- und Gefühlsmaschine betätigen. Es ist schwer mit Worten zu erklären, aber ich garantiere euch, dass es sich unglaublich gut anfühlt. Und durch das ganze Werk zu fahren, war etwas ganz Besonderes.“