Heute ist der Motor zwar immer noch das pulsierende Herz eines Ferrari, aber dennoch nur ein Teil eines wahnsinnig komplexen Netzwerks aus Bauteilen und Algorithmen. Insbesondere die Arbeit, die die ‚Magier‘ von Ferrari in Bezug auf Fahrwerksregelung und Fahrdynamik geleistet haben, ist fast zu gut, um wahr zu sein.
Das E-Diff kam 2004 im F430 auf den Markt und ist ein hervorragendes Beispiel für eine Technologie, die von der Formel 1 auf ein Straßenauto übergeht
Wo sollen wir anfangen? Vielleicht beim E-Diff, das 2004 beim F430 Einzug gehalten hat und ein Paradebeispiel für eine Technologie darstellt, die es von der Formel 1 in Straßenautos geschafft hat. Was ist seine Aufgabe? Es verbessert die Straßenlage bei hoher Geschwindigkeit, indem es den in Kurven verfügbaren Grip optimiert und gleichzeitig den Traktionsverlust verringert.
Wie funktioniert es? Es verteilt das Drehmoment zwischen den Rädern mit zwei Sätzen Reibscheiben, die von einem hydraulischen Stellglied gesteuert werden; die Höhe des übertragenen Drehmoments ist abhängig von Variablen wie Lenkwinkel, Gaspedaleingang und Gierbewegung (Drehung eines Fahrzeugs um die vertikale Achse).
Sehen Sie sich die Geschichte von „E-Diff“ und „Side Slip Control“ und deren Auswirkungen auf die Fahrzeugdynamik an
Die Rundenzeiten in Fiorano sind ein Barometer für den Fortschritt in Ferraris Autos: Der F430 bewältigt die Strecke drei Sekunden schneller als sein Vorgänger, der 360 Modena. Ein Beweis für das Vertrauen des Fahrers in die Reaktionen des Autos. Vertrauen ist der Schlüssel. Die Elektronik ist aber ebenso wichtig.
Der Entwicklungsverlauf seither ist erstaunlich. Es hat sich ein neues Paradigma etabliert, wo die Hardware durch die Software perfekt unterstützt wird. Die auf die Rennstrecke ausgerichteten Autos von Ferrari sind in der Regel auch die Prüfstände für die neueste Technologie, und der 430 Scuderia von 2008 bleibt ein Highlight für viele Fans und Kunden.
Die Tatsache, dass Michael Schumacher enorm an der Entwicklung des Autos beteiligt war, bedeutet, dass auch jede Menge Magie darin steckt, aber das E-Diff wurde ebenfalls überarbeitet, um die F1-Trac-Traktionskontrolle des 599 GTB zu übernehmen.
Das E-Diff des 430 Scuderia wurde überarbeitet, um das Traktionssystem F1-trac des 599 GTB zu integrieren
Eigentlich ging es hier nicht um ‚Kontrolle‘: es war eine ‚Optimierung‘ der Traktion. Mit dem Manettino des Fahrzeugs im ‚Race‘-Modus gibt der 430 Scuderia dem Fahrer volles Vertrauen am Kurveneingang und am Scheitelpunkt, minimiert das Untersteuern und maximiert das Feedback, während E-Diff und Traktionskontrolle gemeinsam und nahtlos für maximale Beschleunigung aus der Kurve heraus sorgen.
Heutige Straßen-Testfahrer fanden das so gut, dass es sich fast surreal anfühlte. Es fühlte sich auch wie ein entscheidender Moment in der Entwicklung von Ferrari-Straßenautos an. Und so war es auch. Als nächstes kam der 458 Speciale, der letzte und stärkste V8-Ferrari mit normalem Saugmotor und ein weiteres Exemplar in diesem sagenumwobenen, auf die Rennstrecke ausgerichteten Stammbaum.
Der 488 Pista verwendet Side Slip Control, kombiniert mit dem Ferrari Dynamic Enhancer, der die Bremsen ins Spiel bringt
Es war aber auch der erste Ferrari, der SSC oder Side Slip Control verwendete, dessen Algorithmen den Winkel des Autos effektiv mit dem Winkel der Kurve verglichen und zusammen mit E-Diff und F1-Trac alle Variablen in winzigen Zeitfragmenten jonglierten, um die dynamischen Grenzen noch weiter zu verschieben. Dieses Auto ist einer der ganz Großen: ebenso organisch wie High-Tech.
Puristen können über alles die Nase rümpfen, was die Heiligkeit des Fahrerlebnisses scheinbar beeinträchtigt, aber Ferraris Innovation in diesem Bereich erfüllt einfach so viele Kriterien, dass sie unumstößlich ist. Die Fahrwerkselektronik ist so gut kalibriert, dass selbst der routinierteste Fahrer zugeben würde, dass das Fahren am Limit dadurch zufriedenstellender ist.
Es hilft auch, dass die Eingriffe kaum wahrnehmbar sind. Entscheidend ist, dass die Technologie die dynamische Bandbreite des Autos für eine größere Anzahl von Kunden öffnet und gleichzeitig die Sicherheitsmargen verbessert. Und es ermöglicht dem mit weniger Naturtalent gesegneten Fahrer sogar ein beträchtliches Übersteuern (bzw. Driften oder Sliden, um die YouTube-freundlichere Umgangssprache zu verwenden) ohne Ausbrechen.
Der rennstreckenorientierte Ferrari 430 Scuderia bleibt ein Highlight für Fans und Kunden gleichermaßen
488 GTB, F12tDF und 488 Pista verwenden allesamt weiterentwickelte Versionen der Side Slip Control. Der Pista hat auch ein weiteres Tool hinzugefügt: den Ferrari Dynamic Enhancer, der die Bremsen ins Spiel bringt. Dieses System prognostiziert auf der Grundlage der Algorithmen des SSC einen Giermoment und bestimmt zusammen mit dem Dynamik-Steuergerät, wie viel Bremsdruck an jedem Rad benötigt wird. Komplexes Zeug, keine Frage, aber das Endergebnis ist ein Gefühl dynamischer Harmonie. Und wahnsinnig spannend zu fahren.
Und doch legt Ferrari mit jedem neuen Modell die Messlatte höher. Die vielleicht größte Absichtserklärung wird vom SF90 Stradale abgegeben, dem aktuellen Aushängeschild des Unternehmens. Als Hybrid bringt er ganz neue Möglichkeiten mit sich, die alle akribisch vernetzt werden mussten.
Dazu gehören die Hochspannungssystemsteuerungen (einschließlich MGUK, Batterie und Wechselrichter), Motor und Getriebe sowie die Fahrdynamik. Da kommt die neue eSSC – die elektronische Seitenschlupfregelung – die die Regelung und Verteilung des Motordrehmoments auf alle vier Räder über drei Schlüsselparameter regelt, gerade recht.
Dazu gehören Traktionskontrolle, Brake-by-Wire (das Bremsmoment muss die Kraft des regulären Hydrauliksystems mit jener der E-Motoren abstimmen) und Torque Vectoring, das die Kräfte auf dem Außen- und Innenrad während der Kurvenfahrt für maximale Traktion steuert.
Berauschendes Zeug, keine Frage. Aber täuschen Sie sich nicht: Was auch immer Ihre Meinung zu Algorithmen und ihrer Rolle in der modernen Welt sein mag, sie waren bahnbrechend, wenn es um das Handling eines Ferrari geht.