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Der vergessene Ferrari

Der in Le Mans siegreiche 499P wird oft als Ferraris erster Top-Rennwagen in 50 Jahren angesehen. Tatsächlich gab es vor 30 Jahren ein anderes, weniger bekanntes Modell – den F333 SP
Text: Gavin Green / Video: Oliver McIntyre

Vor Ferraris siegreicher Rückkehr nach Le Mans im Jahr 2023 ging das letzte Werksteam, das gute Chancen auf den Gesamtsieg hatte, im Jahr 1973 an den Start. Das war mit dem 312 PB, der den zweiten Platz belegen sollte. Auf den ersten Blick scheinen zwischen dem letzten Rennsport-Prototypen von Ferrari und dem neuesten 499P, der in den Jahren 2023 und 2024 siegreich sein sollte, 50 Jahre zu liegen.

Sehen Sie den mächtigen Ferrari F333 SP auf der Strecke in Aktion …

Tatsächlich baute Ferrari vor 30 Jahren einen sehr erfolgreichen Sportwagen, der von zahlreichen privaten Teams gefahren wurde. Das ist die Geschichte des F333 SP, des vergessenen Ferrari.

Wie es sich für einen stiefmütterlich behandelten Ferrari gehört, ist sein Hintergrund ungewöhnlich. Er war die Idee von Gianpiero Moretti, dem Gründer von MOMO Lenkräder. Als erfolgreicher Rennfahrer in Amerika überzeugte er das Ferrari-Management, einen Sportprototypen für die neue amerikanische IMSA World Sports Car Series zu bauen. Ferrari in Nordamerika unterstützte die Idee, und so wurde der erste Rennsportprototyp von Ferrari seit 20 Jahren aus der Taufe gehoben. 

Er richtete sich an private Teams und war bei ihnen sehr beliebt. Ferrari verkaufte ein All-inclusive-Paket, das technischen Support und Ersatzteile beinhaltete. Die Power kam von einem hochdrehenden und leistungsstarken V12 auf F1-Basis, der bald auch im kommenden F50-Hypercar zu finden sein sollte. Mit einem exakten Hubraum von 333,09 cm3 (der dem F333 SP seinen Namen gab), leistete der Motor 650 PS bei stolzen 9000 U/min. Das Chassis bestand aus einem Monocoque aus Carbonfaser und Aluminiumwaben nach neuestem Design und verfügte über eine Querlenkeraufhängung mit Schubstange im Stil der Formel 1, während die im Windkanal optimierte zweisitzige Spider-Karosserie einen Hauch des alten 312 PB verströmte.


Oben: Der F333 SP verfügte über einen V12-Motor auf F1-Basis, ein Monocoque-Chassis aus Kohlefaser und Aluminiumwaben und eine Querlenkeraufhängung im F1-Stil mit Schubstangensteuerung

Der F333 SP gab sein öffentliches Debüt auf dem Genfer Salon 1994, obwohl er bereits einen Monat zuvor anlässlich des 24-Stunden-Rennens von Daytona vorab präsentiert worden war. Sein Renndebüt gab er in der dritten Runde der IMSA-Serie in Road Atlanta. Es gingen vier Autos an den Start, die von drei verschiedenen Teams eingesetzt wurden (darunter Gianpiero Morettis Momo Corse). Das Debüt hätte kaum besser verlaufen können: Die F333 SPs belegten Platz 1 und 2. In der nächsten Runde erzielten die Fahrzeuge einen Dreifachsieg und gewannen im selben Jahr noch drei weitere Rennen.

1995 errang der F333 SP bei den 12 Stunden von Sebring seinen bis dahin größten Sieg. Es war der erste Sieg von Ferrari bei dem klassischen amerikanischen Sportwagenrennen, seit Mario Andretti und Jacky Ickx dort 1972 für Ferrari gewonnen hatten. Der siegreiche Spitzenfahrer, der Wall-Street-Banker Andy Evans, fuhr für sein eigenes Team Scandia Motorsport und sollte 1997 erneut in Sebring gewinnen.



Oben: Der F333 SP war ein erfahrener Teilnehmer der amerikanischen IMSA World Sports Car Series und holte von 1994 bis 2001 regelmäßig Siege auf Rennstrecken wie (von links) Phoenix, Sebring, Laguna Seca und Lime Rock

1995 holte Ferrari die IMSA WSC-Meisterschaft, und im selben Jahr kehrte Ferrari mit dem F333 SP auch nach Le Mans zurück. Doch leider konnte er nicht an die Le Mans-Erfolge früherer Ferrari-Legenden anknüpfen, oder auch des nachfolgenden 499P. Sein bestes Le Mans-Ergebnis war ein sechster Platz im Jahr 1997.

Dennoch ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten. In Amerika gewann der F333 SP 1998 das 24-Stunden-Rennen von Daytona mit Gianpiero Moretti, damals 58 Jahre alt, als einem der Fahrer. Im selben Jahr siegte der Wagen auch in Sebring, Watkins Glen und beim Petit Le Mans in Road Atlanta. In Europa gewannen private Teilnehmer auf F333 SPs die neue International Sports Racing Series in den Jahren 1998, 1999 und 2000. Die Serie wurde 2001 in FIA-Sportwagenmeisterschaft umbenannt, und der F333 SP gewann auch diese. 

Der F333 SP war nicht nur wegen seines Erfolges bemerkenswert, sondern auch wegen der Langlebigkeit dieses Erfolges. Von 1994 bis 2001 gewann er regelmäßig Rennen – eine sehr lange Karriere für einen Elitesportwagen. Letztendlich wurde eine ganze Reihe von Wagen für zahlreiche private Rennteams in Amerika und Europa gebaut. Er holte 47 Siege und 12 große Meisterschaften. 



Oben: In seinen sieben Einsatzjahren gewann der F333 SP regelmäßig Rennen und holte insgesamt 47 Siege und 12 große Meisterschaften

Warum also ist dieser Ferrari weitgehend in Vergessenheit geraten? Es stimmt, dass er in Le Mans – dem prestigeträchtigsten Sportwagenrennen der Welt – nie erfolgreich war und ein Großteil seines Ruhms in Amerika stattfand, wovon man in Europa kaum etwas mitbekam. Er wurde auch nicht von Ferrari eingesetzt, obwohl private Teams sehr erfolgreich waren. Der Hauptgrund ist jedoch, dass der Sportwagenrennsport weder von den Fans noch von den Autoherstellern die Unterstützung genoss wie in den 1950er, 60er und 70er Jahren. Oder wie in heutiger Zeit. 

Mittlerweile erfreuen sich Sportwagenrennen wieder großer Beliebtheit. Mit dem Übergang der Autoindustrie zur Elektrifizierung sind die neuen Hybrid-Rennwagen auch technisch relevant. Genau aus diesem Grund sind die Ferrari-Fabrik und so viele andere Elite-Hersteller in den Spitzenrennsport zurückgekehrt. Möge es noch lange so bleiben.


Titelbild: Der F333 SP auf dem Weg zum Sieg beim IMSA World Sports Car-Rennen in Watkins Glen 1994